Bären in freier Wildbahn

 

Bären sind die größten an Land lebenden Wildtiere Europas, wo sie allerdings als vom Aussterben bedroht gelten. Sie werden bewundert und zugleich als Bedrohung empfunden. Normalerweise sind Bären sehr scheue Tiere, die die Nähe von Menschen meiden. Leider sind die Gelegenheiten, sie in freier Wildbahn zu beobachten, sehr rar. In Finnland leben noch ca. 900 Braunbären, so dass hier die Möglichkeiten noch verhältnismäßig gut sind. Sie werden bis zu 300 kg schwer. Einige von ihnen ziehen sich zum Winterschlaf nach Russland zurück und kommen im Frühling hungrig über die Grenze. Eventuell sogar mit ihrem Nachwuchs, der in den Wintermonaten in der Regel zwischen Januar und März zur Welt kommt. In Finnland haben sich einige Veranstalter darauf spezialisiert, Touristen zu unterstützen, diese einzigartigen Tiere aus der Nähe beobachten und fotografieren zu können. Die meisten dieser Anbieter befinden sich in der Region Kainuu im Nordosten von Finnland. Ein guter Startpunkt ist zum Beispiel das Wildzentrum Martinselkosen Eräkesku. Von dort aus lassen sich Touren unternehmen, bei denen große Chancen bestehen, Bären zu Gesicht zu bekommen.

 

Da Bären als dämmerungs- bzw. nachtaktiv gelten, geht es erst nachmittags vom Wildzentrum aus los. Zuerst fährt man mit dem Auto ca. 10 km durch die finnischen Wälder, vorbei an Seen. Irgendwann hört die Straße auf, und es geht zu Fuß weiter. Auf schmalen Pfaden führt der Weg durch den Wald, manchmal auch über Planken, um nicht zu sehr im Morast zu versinken. Es wäre ein wunderschöner Spaziergang, wenn nicht permanent Angriffe der finnischen Air Force geflogen würden – so werden die Mückenschwärme gerne genannt. Nach ca. einer halben Stunde Wandern und einigen Millilitern Blutverlust ist das Ziel erreicht.


Es gibt Verstecke für nur 1-2 Personen, aber auch größere für bis zu 10 Personen. Die Wildhüter versorgen den Besucher mit Kaffee oder Tee und ein paar Sandwiches für die  Nacht – wobei es in der besten Bärenbeobachtungszeit zwischen Mai und Juli eigentlich gar  keine Nacht gibt, denn es wird nie richtig dunkel. Zur Sicherheit wird nochmals darauf  hingewiesen, während der Nacht das Versteck auf keinen Fall zu verlassen. Zum Glück ist es  mit einer Toilette ausgestattet. Bären können hier immer in der Nähe sein. Die größte  Gefahr besteht darin, zwischen eine Mutter und ihre Jungen zu geraten. Dann versteht das Elterntier keinen Spaß mehr und kennt keine Zurückhaltung. Ansonsten nehmen Bären Reißaus, sobald sie die Nähe von Menschen wittern.


Damit die Bären auch wirklich Interesse haben, in die Nähe der Verstecke zu kommen und  hier etwas zu verweilen, legen die Wildhüter Futter aus. Dann heißt es warten. Zumeist dauert es gar nicht lange, bis sich die ersten Bären zeigen. Sie haben schon gelernt, zu welchen Zeiten sie hier etwas Essbares finden können. Sie treten vorsichtig auf die Bühne, beobachten die Umgebung sehr genau und kommen langsam aus dem Schutz des Waldes hervor. Solange kein anderer Bär in Sichtweite ist, lassen sie sich Zeit, fressen, tollen miteinander herum oder wälzen sich auf dem Boden, um die Parasiten zu vertreiben. Manchmal reiben sie sich auch an Bäumen, was an Balu, den Bären aus dem Dschungelbuch, erinnert. Auch beim Hüftschwung finden sich Parallelen.
 

Ausgewachsene Bären sind normalerweise Einzelgänger. Die Gruppen, die an den Beobachtungsplätzen vorbeiziehen, bestehen zumeist aus einem Muttertier mit ihrem Nachwuchs. Wenn man Glück hat, lassen sich kleine Wollknäuele beobachten, die neugierig die Gegend erkunden, sich aber nie weit von der Mutter entfernen. Man muss schon sehr  der Versuchung widerstehen, die Kleinen einfach in den Rucksack zu packen und, als süßes  Kuscheltier mit nach Hause zu nehmen. Es kommt vor, dass kleine Gruppen von Geschwisterbären auftauchen. Sie bleiben manchmal zusammen, auch wenn sich die Mutter bereits von ihnen getrennt hat. Sobald sie allerdings die Geschlechtsreife erreichen, trennen sich ihre Wege.

Wenn ein anderer Bär oder eine Bärengruppe in die Nähe kommt, merkt man sofort die Anspannung der Tiere. Meist räumt dann ein Tier oder eine Gruppe das Terrain. Kleine Bären, die nicht so schnell laufen können, flüchten dann oft auf einen Baum. Es ist erstaunlich, mit welcher Leichtigkeit sie fast bis in die Spitzen der Bäume klettern. Gut, dass die Bäume kräftige Kronen haben. Den Baum verlassen sie erst wieder, wenn die Mutter Entwarnung gibt. Bis dahin verteidigt sie den Baum um jeden Preis. Sollten doch andere Bären in die Nähe kommen, lässt sie deutliche Warnrufe ertönen, die wohl heißen:„Komm mir nicht zu nahe!“ Es gibt auch vorwitzige oft jugendliche Bären, die ganz dicht an das Versteck kommen, und nachschauen, was das wohl für ein Ding ist. Den Atem des Bären zu spüren, lässt den Puls dann doch deutlich höher schlagen Aber etwas Lärm vertreibt ihn schnell, und der gebotene Abstand wird wieder herstellt.


Morgens gegen 7:00h führen die Wildhüter den Gast wieder zurück durch den Wald und mit dem Auto zum Wildzentrum, wo es dann ein kräftiges Frühstück gibt und die Gelegenheit zu einem Austausch über die großartigen Erlebnisse der Nacht. Alle sind sich einig: Es ist ein einzigartiges Gefühl, diese sanften Riesen in freier Wildbahn so nah zu erleben und ihr Verhalten zu beobachten. Und alle beschäftigt die Frage: Wann geht es das nächste Mal auf die Jagd nach dem besten Bären-Foto?